
Auf der 50. Electrive Online Conference in dieser Woche war der Ton deutlich anders. Die Branche spricht nach wie vor von Prognosen und Rollout-Plänen, von Gigawatt an Kapazität, Auslastungsplateaus und Investitionszyklen, aber hinter den Zahlen verbirgt sich, wie wir raushören, eine grundlegendere Veränderung. Der rasante Aufbau der letzten Jahre verlangsamt sich und geht in eine neue Phase über. Fortgeschrittener und reifer, da sie weitaus stärker von der Qualität der Produkte und Leistungen abhängt, die wir, als eMobility-Community, auf den Markt bringen.
Die Ladelandschaft in Europa hat einen Reifegrad erreicht, den vor drei Jahren noch kaum jemand vorhergesagt hätte. Und darauf können wir stolz sein: Mehr als eine Million öffentliche Ladepunkte! Weiße Flecken verschwinden. Selbst die Schwerlastinfrastruktur, von der man einst dachte, sie würde ein Jahrzehnt hinterherhinken, gewinnt an Fahrt. Die Hardware ist in den meisten Anwendungen nicht mehr der Engpass.
Die Kunden verändern sich jedoch schneller als die Infrastruktur um sie herum. Die Early Adopters waren geduldig, neugierig und nachsichtig. Sie nahmen inkonsistente Erfahrungen in Kauf, suchten sich ihre Ladekarten zusammen und verglichen Apps. Die nächste Kundenwelle, der Mainstream, wird dies jedoch nicht tun. Sie wollen, dass das Laden nebenbei passiert, sagen wir mal langweilig wird. Ein Speaker auf der 50. Electrive LIVE Onlinekonferenz erwähnte einen Verwandten, der kürzlich auf ein Elektroauto umgestiegen ist, nur weil der Leasingvertrag attraktiv war. Es gab keine Recherche und keine emotionale Bindung. Also reiner Pragmatismus. Das ist die Richtung, in die sich der Markt entwickelt.
Die Kluft zwischen dem, was Unternehmen entwickeln, und dem, was Kunden brauchen, geht jedoch öfters auseinander. CPOs spüren den Auslastungsdruck. Hardwarehersteller kämpfen mit schrumpfenden Margen. Softwareanbieter haben Mühe, sich in einer Masse ähnlicher Funktionen zu differenzieren. Und all das geschieht, während die Nachfrage nach Klarheit und Einfachheit täglich wächst.
Laut LCP Delta wird für 2025 und 2026 ein leichter Rückgang beim Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur in Europa erwartet. Ein Zeichen dafür, dass die Ära des Bauens um des Bauens willen vorbei ist. McKinsey schätzt, dass jedoch mittelfristig bis 2030 noch Investitionen in Höhe von 240 Milliarden Euro in die Ladeinfrastruktur erforderlich sein werden. Die Investitionen werden aber in Lösungen fließen, die Relevanz und ein echtes Geschäftsmodell unter Beweis stellen können.
Aus unserer Sicht ist das ein klarer Wendepunkt: Das Jahr 2026 wird nicht (allein) vom Ausbau der Infrastruktur geprägt sein, sondern von der Treffsicherheit der jeweiligen Produkte. Die Branche bewegt sich weg von der Frage „Kann ich überhaupt laden?“ hin zu „Warum soll ich genau dieses Angebot wählen?“, von der Geschwindigkeit der Markteinführung hin zum Kundenfeedback, von technischen Ambitionen hin zu echten wirtschaftlichen Effekten.
Wir haben den Amplify Product Success Guide (LINK) erstellt. Nach fünfzehn Jahren in dieser Branche wissen wir, was Produkte erfolgreich macht. Die Gewinner sind nicht unbedingt die technisch fortschrittlichsten, sondern diejenigen, die ihren Auftrag verstehen, ihren Wert klar kommunizieren und sich ihren Platz auf dem Markt verdienen.
Das nächste Kapitel der Elektromobilität wird von denen gestaltet werden, die dieses Gefühl der Offensichtlichkeit transportiert bekommen.
Denn letztendlich steigen Menschen nicht einfach nur auf eine neue Technologie um weil es jemand sagt, sondern sie folgen ihrem Gefühl, dass die Zukunft bereits da ist und dass es einfach offensichtlich ist, sich dafür zu entscheiden.